Stellungnahme des Berlin Brandenburger Vereins homöopathischer Ärzte (BVhÄ) zum Antrag des Berliner Tim Niklas Demisch:  „Echter Patient*innenschutz: Bevorteilung der Homöopathie beenden!“ an die Bundesdelegiertenkonferenz 2019 „Die GRÜNEN“

Liebe Mitglieder und Delegierten (beiderlei Geschlechts) der  „Grünen“,

als homöopathische Ärztinnen und Ärzte – viele davon Fachärzt*innen – mit teilweise jahrzehntelanger praktischer Erfahrung in konventioneller Medizin und ergänzender Anwendung der Homöopathie stellen wir zunächst fest: Homöopathie wirkt!

Der an Sie gestellte Antrag hebt darauf ab, dass homöopathische Medizin ohne wissenschaftliche Fundierung zur Anwendung komme und Patientinnen in Gefahr bringe, weswegen sie vor Homöopathie „geschützt“ werden müssten.

1. Falsch ist die Aussage, die fehlende Wirksamkeit der homöopathischen Medizin über Placebo hinaus sei bewiesen. Das Gegenteil ist  der Fall (s.u.) Die Grünen wären gut beraten, die mediale Berichterstattung sehr kritisch zu hinterfragen und die von sogenannten Skeptikern initiierte Echokammer contra Homöopathie zu meiden.

2. Falsch ist die Aussage, durch homöopathische Medizin werde eine wirksame Therapie von Krankheiten verschleppt. Hierfür gibt es keine Belege! Viele Ärzt*innen wenden neben konventioneller Medizin auch Homöopathie an und entscheiden je nach Patient, welche Therapieform erforderlich ist.

3. Falsch ist die Aussage einer „Statusaufwertung“ der homöopathischen Medizin durch Apothekenpflicht speziell vor dem Hintergrund des im Antrag ausdrücklich geforderten Patient*innenschutzes: Seit mehr als 15 Jahren bieten die Apothekerkammern ihren Mitgliedern strukturierte Weiterbildung in Naturheilverfahren und Homöopathie an, um die Beratungskompetenz sicherzustellen. Diese Kompetenz dient der Sicherheit und dem Schutz der Patient*innen.

4. Falsch ist die Unterstellung, Patient*innen seien nicht über das Wesen der Homöopathie sowie ihre Möglichkeiten und Grenzen informiert und müssten daher vor Homöopathie geschützt werden. In Zeiten des Internets entscheiden sich Patient*innen bewusst und wohlinformiert für Homöopathie, anderslautende Aussagen unterstellen ihnen lediglich Unmündigkeit.

5. Falsch ist, eine negative Korrelation herzustellen zwischen Kostenerstattung für homöopathische Medizin und negativen Auswirkungen für die Solidargemeinschaft der Versicherten: Kosten für homöopathische Medizin liegen im Promillebereich der GKV Arzneimittelausgaben, die Streichung ihrer Erstattung führt daher nur zu absolut marginaler Einsparung. Es werden wesentlich teurere Therapien von den Kassen bezahlt, ohne dass in vielen Fällen ausreichende Evidenz vorliegt, wie zum Beispiel bei Antidepressiva.

6. Richtig ist, dass die prinzipielle Wirksamkeit der homöopathischen Medizin wissenschaftlich gesichert ist, dass aber ohne Zweifel noch sehr viel mehr Forschung zum physikalischen Wirkprinzip der homöopathischen Arznei notwendig ist.

7. Richtig ist, dass homöopathische Ärzt*innen ihren Patient*innen größtmögliche Therapiesicherheit in einem gleichzeitig offenen und pluralen Methodenspektrum anbieten

8. Richtig ist, dass Patient*innen als mündige Bürger*innen in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie behandelt werden möchten und sich dabei Ärzt*innen auswählen, die ihr Vertrauen finden.

9. Richtig ist, dass Placeboeffekte auch im Bereich der homöopathischen Medizin bekannt sind. Von gut ausgebildeten, erfahrenen Behandlern (und von vielen Patient*innen!) sind sie von homöopathischen Arzneiwirkungen unterscheidbar.

10. Richtig ist, dass homöopathische Medizin eine kostengünstige, gleichzeitig nebenwirkungsarme und zudem in der Praxis effektive Alternative oder Therapieergänzung darstellt.

Zur Frage der Wissenschaftlichkeit

Überall in der Medizin gibt es Placebo-Effekte, homöopathische Ärzt*innen sind sich dessen bewusst. Weil diese Effekte noch immer unterschätzt, nicht wirklich gewürdigt oder stillschweigend in Kauf genommen werden, steht an diesem Punkt die Homöopathie auf derselben Stufe mit der konventioneller Medizin.

Praxis und Studienergebnisse zeigen jedoch immer wieder aufs Neue, dass Homöopathie eine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus hat. Jüngstes Beispiel:

  • 2015 wurde ein von der Australischen Regierung (NHMRC) in Auftrag gegebener Report zur Homöopathie veröffentlicht mit dem Ergebnis, es gebe für „keine medizinische Indikation eine belastbare Evidenz aus wissenschaftlichen Studien“.

Wie sich später heraus gestellt hat, gab es nicht nur nicht deklarierte Interessenkonflikte innerhalb der Kommission (ein Mitglied der beauftragten Expertenkommission gehörte einer international agierenden, anti-homöopathischen Skeptikerorganisation an),  es gab auch eine erste Version des Berichtes, der zu einem anderen Ergebnis kam und dann unter Verschluss gehalten wurde, veröffentlicht wurde nur eine zweite Version mit dem oben genannten Ergebnis.

Auf Druck der Öffentlichkeit australischer Homöopathen sowie des in  London ansässigen „Homoeopathic Research Institut“ wurde nun – nach vier Jahren – die erste Version der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Ergebnis: Es gibt ermutigende Evidenz (Level C) der Wirksamkeit von Homöopathie bei bestimmten Indikationen (Fibromyalgie, Mittelohrentzündung, postoperative Darmlähmung, Infektionen der oberen Atemwege bei Erwachsenen, Effekte in der Behandlung von Tumorpatienten bei Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung).

Dieses Beispiel zeigt, dass erst Unterschlagung von Fakten zu einem für die Homöopathie negativen Ergebnis führt.

Andererseits führt der willkürliche Umgang mit Studienkriterien zu „erwünschten“ negativen Ergebnissen:

  • In der genannten „Australien-Studie“ wurden alle Studien mit weniger als 150 Teilnehmern ausgeschlossen. Das führte dazu, dass von 176, teilweise sehr hochwertigen Studien am Ende nur noch 5 Berücksichtigung fanden. Zum Einen ist die Zahl von 150 kein anerkanntes Kriterium für Studiengröße (die Cochrane-Collaboration berücksichtigt Studien ab einer Teilnehmerzahl von 20!), zum Anderen fielen durch diese Manipulation der Eingangskriterien qualitativ hochwertige Studien mit positivem Ergebnis für die Homöopathie – willkürlich! –  aus der Beurteilung.

 Weitere eklatante Manipulationen in der Beurteilung der Evidenz von Homöopathie sind darin begründet, dass

  • Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sowie der praxisrelevanten Versorgungsforschung permanent und ohne jede weitere Begründung schlicht ignoriert werden. Dieses Vorgehen ist willkürlich und unwissenschaftlich.

Das bedeutet:

Unterschlagung von Fakten, willkürlicher Umgang mit Studienkriterien und Manipulation der öffentlichen Meinung haben nichts mit seriöser Wissenschaft zu tun! Hinter der Kampagne gegen Homöopathie verbirgt sich ein totalitäres Welt- und Wissenschaftsverständnis, das mit einer offenen und demokratisch verfassten Gesellschaft nicht das Geringste zu tun hat.

Auch homöopathische Ärzt*innen sind – und waren immer –  der Wissenschaft verpflichtet. Wissenschaft bedeutet aber nicht ausschließlich Naturwissenschaft: der ehemalige Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Hoppe stellte bereits vor Jahren klar: „Medizin ist keine Naturwissenschaft, sondern eine Erfahrungswissenschaft, die sich auch wissenschaftlicher Erkenntnisse aus anderen Fachgebieten bedient“.

Patient*innenschutz ist ein wichtiger Aspekt im modernen Medizinbetrieb. Homöopathie ist das falsche Beispiel, um diesen Schutz zu fordern.

Viele Patient*innen, die sich der Homöopathie zuwenden, sind im Übrigen „GRÜNEN-affin“, also auch potentielle Wähler der „GRÜNEN“. Ihnen eine Therapie bzw. deren Erstattungsmöglichkeit vorenthalten zu wollen, ohne gleichwertige Alternativen anbieten zu können, stößt zu Recht auf  erhebliches Unverständnis in weiten Teilen der Bevölkerung. Der Bundesverband Patienten für Homöopathie (BPH) hat sich mit einer Stellungnahme zu diesem Antrag bereits geäußert.

Der Berlin Brandenburger Verein homöopathischer Ärzte (BVhÄ)…

vertritt rund 250 Ärztinnen und Ärzte in Berlin und Brandenburg, die über die von den Ärztekammern vergebene Zusatzbezeichnung Homöopathie und/oder das Homöopathie-Diplom des DZVhÄ verfügen. Die Mitglieder des Vereins sind Teil der medizinischen Versorgung, sie arbeiten in Krankenhäusern, Praxen oder Apotheken. Eine der wichtigsten Aufgaben des Vereins ist die Organisation und Durchführung der ärztlichen Weiter- und Fortbildung im Bereich der Homöopathie. Informationen: www.berlin-brandenburger-homoeopathie.de